Aufklärung im besten Sinne

Eine beispielhafte Idee

Grußwort des Beauftragten der Bundesregierung zum Abschluss des Projektes "Crescende"

Das Projekt „Crescende“ ist eine beispielhaft Idee, Menschen mit und ohne Behinderung über das Medium Kunst zusammenzuführen. Künstlerisches Arbeiten vermittelt uns einen anderen, einen intensiveren Zugang zur Welt. Und vor allen Dingen ermöglicht uns die Kunst, den Menschen anders wahrzunehmen. Als Künstlerin oder Künstler begegnet man sich über das Werk, das man schafft. Ob jemand eine Behinderung hat, ist dabei unerheblich. Beim Projekt „Crescende“ stand noch etwas anderes im Vordergrund: nämlich das gemeinsame Arbeiten an einem Kunstobjekt oder -projekt. Das Motto: „Künstler wachsen mit Behinderten und Behinderte wachsen mit Künstlern“ ist nur in seiner Wechselseitigkeit stimmig. Denn bisweilen ist dieser andere Blick auf unsere Welt, den Menschen mit einer Behinderung aufgrund ihres Handicaps haben müssen, der entscheidende Impuls, der Kreativität auslöst, der dazu führt, die Gedanken in eine andere Richtung fließen zu lassen. So bin ich sicher, dass sich im Laufe der Zusammenarbeit auf beiden Seiten nicht nur die handwerklichen Techniken weiter entwickeln konnten, sondern sich auch Perspektiven verändert haben. Diese Erfahrung mache ich persönlich jedes Mal wieder, wenn ich behinderte und nicht behinderte Künstlerinnen und Künstler an meinen Dienstsitz, das Kleisthaus in Berlin, einlade, ihre Kunst zu zeigen. Das beginnt ganz alltäglich mit den Fragen von Gästen aber auch von Bundestagskollegen. Ja, warum kümmert sich der Behindertenbeauftragte denn auch um Kunst? Die Antwort darauf ist einfach: Durch diese Angebote im Kleisthaus, die bundesweit Resonanz finden, kann ich Menschen für die Anliegen und Fähigkeiten behinderter Menschen interessieren, die der rein politischen Aufgabe erst einmal eher fremd gegenüber stehen.
Denn: Ein solches Projekt wie „Crescende“ ist nicht nur Spaß, Freude und eine persönliche Bereicherung für den Einzelnen, es ist im besten Sinne Aufklärung über Behinderung, die mit Worten und politischen Appellen in der Form niemals erreicht werden könnte.
Das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen hat uns dieses Jahr eine besondere Gelegenheit gegeben, miteinander ins Gespräch zu kommen. Behinderte Menschen mit nicht behinderten Menschen und nicht behinderte Menschen mit behinderten Menschen. Aus den verschiedenen Erfahrungen kann man immer wieder lernen, kann man neue Wege ausprobieren, entstehen interessante Begegnungen. Und wie Sie alle es ja noch besser wissen als ich: Solche Begegnungen und Erfahrungen kann man sehr gut über die Kunst austauschen. Aus diesem Grund möchte ich Ihnen allen und den Organisatoren, dem Verein für Körper- und Mehrfachbehinderte e.V. in Regensburg meinen tiefen Dank aussprechen.

Ich wünsche den Veranstaltern ein gutes Gelingen und den Künstlerinnen und Künstlern sehr viel Erfolg mit ihren Beiträgen.

Ihr
Karl Hermann Haack
Berlin, Oktober 2003

 

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